Bölsche, Wilhelm

Wilhelm Bölsche an Ernst Haeckel, Friedrichshagen, 21. Februar 1912

Friedrichshagen

b. Berlin,

Seestraße 63.

21.2.12.

Lieber Freund!

Das kleine Büchlein mit den sieben Predigern in der Wüste unserer Schulverhältnisse wird Dir zugegangen sein. Ich sehe jetzt, wo mein Junge heranwächst, wieder etwas mehr in diese Schul-Dinge hinein und finde sie abscheulicher, als sie je gewesen sind. || Auch wo der Realunterricht mehr mit Naturwissenschaft u.s.w. sich durchsetzt, sitzen die alten miserabeln Methoden des Unterrichts an sicha so fest, daß sie alles immer wieder verderben.

In letzter Zeit ist nun endlich (nach vielerlei Hin und Her mit dem neuen Verlage) über das Schicksal von Carus Sterne‘s „Werden und || Vergehen", zu dem Du mir im letzten Sommer einen freundlichen Rat gabst, entschieden worden: der botanische Teil wird von Professor Udo Dammer, Direktor am Botanischen Museum in Dahlem, ganz neu gearbeitet werden. Dammer war mit Krause noch persönlich befreundet, und ich denke, er wird die Sache auch entwickelungsgeschichtlich gut machen.

Gegenwärtig beschäftigen mich die Vorarbeiten zu einem großen || Bilderwerk, das die Stuttgarter Deutsche Verlagsgesellschaft unter dem Titel „Die Schönheit der Natur" herausgeben will und dessen Leitung in meiner Hand liegt. Ich suche im Moment dafür besonders schöne photogr. Aufnahmen tropischer Landschaft und Vegetation, und ich wäre Dir zu großem Danke verpflichtet, wenn Du mir einen Wink geben könntest, bei wem || eventuell hier neue und noch nicht reproduzierte Schätze zu haben wären. Besonders gern möchte ich auch einige Deiner Aquarelle für das Werk reproduzieren lassen. Wäre es möglich, und würdest Du eventuell dazu auch einen kurzen erläuternden Text selbst geben wollen? Das Werk wird sehr splendid hergestellt, und ich denke, daß es bei dem Plane, den || ich zu Grunde lege, ein wirklich wertvolles Anregungsmaterial werden kann. Falls in Jena noch andere gute Sachen dafür (besonders nach der botanischen Seite) zu finden wären, käme ich gern zum Zweck einmal hinüber, – auch um mit Dir grade dieses Buch noch einmal näher durchzusprechen, woran mir sehr viel läge. || Hier bei mir im Hause sieht‘s noch immer nicht so recht gut aus, – meine Frau leidet an immer neuen bösen Anfällen ihrer Gallensteinkolik.

Dein treuer

Wilhelm Bölsche

a eingef.: an sich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.02.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9713
ID
9713