Greeff, Richard

Richard Greeff an Ernst Haeckel, Bonn, 16. Januar 1871

Bonn den 16ten Januar 1871.

Lieber Haeckel!

So eben ersehen wir aus Deiner Anzeige in der kölnischen Zeitung den fröhlichen Zuwachs Deiner Familie und rufen Dir unseren herzlichsten Glückwunsch zu namentlich auch für die hübsche Combination des ersten Paares Deiner Sprößlinge. Hoffentlich wird es Deiner lieben Frau und der Kleinen recht wohl ergehen. Meine Frau und ich bitten die Erstere bestens von uns zu grüßen.

Mit großem Interesse und Freude haben wir Deine Berufung nach Wien durch Bleeks erfahren. Ich bin sehr gespannt auf Deine Entscheidung und kann mir wohl denken, daß die Ueberlegung || des pro und contra resp. der Entschluß gerade dorthin zu ziehen nicht leicht sein mag. Das Aquarium in Triest mag allerdings manches Verlockende haben, indessen habe ich meinerseits, wie ich Dir auch erzählt habe, so unangenehme Erfahrungen damit gemacht, daß ich Jedem Vorsicht darin anrathen muß: entsetzlich viel Zeit u. Mühsal ohne Freude und wissenschaftliche Vortheile. –

Meine neulichen Mittheilungen über Protozoen werden Dich hoffentlich interessirt haben, besonders der merkwürdige Bathybius-ähnliche Organismus, der allerdings kein Monera sondern ein b vielzelliger Organismus ist, aber die eigentlichen Zellkerne sind sehr zart und werden sich kaum in conservirenden Flüssigkeiten || (Alkohol) erhalten, so daß solche auch bei Bathybius möglicherweise doch vorhanden sein können (?). In nächster Zeit hoffe ich Dir einige weitere Beobachtungen über die Actinophryen zuzuschicken, die Dich sicher auch interessiren werden. Ich habe dieselben nun, wie ich denke, als echte Radiolarien nachgewiesen. Die sog. Axenfäden der Pseudopodien sind nämlich zarte radiale Stacheln von weicher organischer Substanz, die, wie ich mich bei Actinosphaerium auf’s unzweideutigste überzeugt habe, mit keilförmigen Spitzen frei in der sog. Marksubstanz stecken, welche Letztere von einer besondern membranartigen Protoplasma-Lage od. Blase umgeben ist, diec somit wohl als Centralkapsel beansprucht werden kann. Actinosphaerium gehört also zu den Acanthometern. Ich halte die Beobachtung || bezüglich der vermeintlichen Organfäden für ein wesentliches Resultat meiner Bemühungen, da sich dadurch auch manches andere bisher räthselhafte Verhältniß aufklärt.

Ich war neulich mit meiner Frau in Marburg und wir haben beide von dort sehr angenehme und freundliche Eindrücke zurückgebracht, auch schon, wider Erwarten, eine ganz reizende Wohnung gefunden und gleich gemiethet. Es ist die Belle-Etage einer ganz neuen schönen Villa vord der Stadt in einem Gartene-Areal von 6–7 Morgen und das für einen Miethpreis, der wenigstens für hiesige Verhältniße ganz gering ist. –

Die zoologische Sammlung ist zwar klein aber recht hübsch u. für das Lehrbedürfniß vollständig ausreichend. Hoffentlich erfreust Du uns im nächsten Sommer einmal mit Deinem Besuch. Ende März gedenken wir überzusiedeln.

Nochmal herzlichen Glückwunsch u. Gruß

Dein R. Greeff

a korr. aus: keine Monere; b gestr.: zu; c korr. aus: und; d korr. aus: der; e eingef.: Garten-

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.01.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 68
ID
68