Keller, Conrad

Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 12. Juli 1909

Zürich, dℓ. 12. Juli 1909

Hochverehrter Freund und College!

Leider haben wir uns in diesem Sommer wieder verfehlt und hätte ich rechtzeitig gewusst, dass sie auf dem Weissenstein weilen, wäre ich unfehlbar für einen Tag hinübergekommen. Was Sie Neues zu berichten hatten, musste uns hier alle tief betrüben.

Zu unserer grössten Überraschung erfuhren wir, dass Ihre jetzigen Verhältnisse in Jena sich in höchst unerfreulicher Weise entwickelt haben u. dass || schliesslich das grossherzogliche Ministerium eingreifen muss.

Leider die alte Geschichte, die ewig neu bleibt: Der Herr bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden will ich schon fertig werden.

Immerhin haben Sie, es sei dies für Sie ein Trost, noch aufrichtige Freunde genug, die für Sie einstehen. Und wenn ich mit meiner Feder für Sie einstehen soll, so bedarf es ja Ihrerseits nur ein Wink [!]. Ich stehe stets zu Ihrer Verfügung!

Ich habe einst auch manche || Erfahrung machen müssen – ich hatte glücklicherweise die Kraft noch, meine Gegner kalt zu stellen. Aber ich weiss wie bitter das ist. Und Sie hätten es doch wahrhaftig verdient, dass man Ihnen mit der nötigen Pietät gerade jetzt entgegen käme.

Hätte ich nicht 1905 in Berlin für Ihren Nachfolger Platz gemacht, so wäre Ihnen vielleicht eine bittere Erfahrung erspart geblieben.

Aber wer konnte so etwas ahnen?

Also auf alle Fälle zählen Sie auf uns in Zürich. Wenn man in Jena der Reaction in die Hände arbeitet, so wird ein Vorstoss erfolgen.

Ich reise demnächst nach Kreta, Samos u. Rhodos zum Zwecke von Haustier-Studien.

Mit herzlichsten Grüssen stets der Ihrige

C.Keller

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.07.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6782
ID
6782