Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 3. Januar 1887
Zürich, dℓ. 3. Januar 1887.
Verehrter Herr Professor!
Sie haben vielleicht einiges Interesse für tropische Bilder u. es macht Ihnen wohl Vergnügen, solche aus Madagascar zu besitzen.
Ich sende Ihnen ein Dutzend Photographien, welche ich in Madagascar aufgenommen habe, zumal darunter Sujets sind, welche bisher nie nach Europa kamen.
Wie ich unterwegs in Aden aus europäischen Journalen entnehmen konnte, haben Sie in Jena weitere Schöpfungen durchgeführt u. eine Vertretung der Phylogenie an der dortigen Hochschule bewirkt. Es freut mich, dass Sie sich des Arnold Lang so entschieden angenommen haben.
Sie werden wohl eine schöne Frequenz in Jena haben.
Dass ich es nicht vergesse: ein Prosit Neujahr, so lange es noch Zeit ist! So viel ich den Blättern entnahm, wären Sie in Jena bald eingeschneit worden.
Dass ich von meiner Madagascarreise || wieder heimgekehrt bin, haben Sie vielleicht schon erfahren.
Es war eine ziemlich verwegene Tour, doch ist alles vortrefflich abgelaufen. Aber mühsam! Doch höchst originell und genussvoll.
Ich bin mit der wissenschaftlichen Ausbeute vortrefflich zufrieden.
An Wirbellosen ist Vieles Neue mit u. die Sendungen unversehrt in Zürich eingetroffen.
Ich habe auch neue Beiträge „Für Darwin“. Sie wissen, dass er kurz vor seinem Tode noch seine Regenwurmarbeit veröffentlichte, welche Licht auf die Humusbildung wirft u. eine zoogene Entstehung der Humusdecke nachweist. Die Frage ist für den Zoologen, für den Landwirth, Forstmann u. namentlich auch für den Geologen von besonderem Interesse.
Was spricht man in Deutschland zu seinen Ansichten bezüglich Entstehung der Ackererde.
Es scheint mir, die Sache hat nicht die verdiente Beachtung gewonnen u. ist von den Geologen noch nicht gewürdigt. Ich werde in einer bald zu veröffentlichenden Arbeit den Gegenstand wieder aufnehmen || u. habe auch hierüber in Madagascar höchst frappante Ergebnisse gewonnen. Uebrigens sind viele neue Gesichtspuncte hinzugekommen.
Etwas werde ich in Bälde schon in meinem eben begonnenen Reisewerckchen bringen, welches in Leipzig erscheinen wird.
In der angenehmen Hoffnung, die beigeschlossenen Tropenbilder werden Ihren Beifall finden, verbleibe ich mit ergebensten Grüssen
Ihr
Dr. C.Keller