Bothe, Margarete

Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Smichov bei Prag, 1. Dezember 1915

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Mein lieber, guter, einziger Herr Häeckel!

Vor allem herzlichen Dank für Ihr mir so liebes Schreiben. Es tut mir so herzlich leid, daß Sie nicht wohl sind.

Es ist aber das schlechte Wetter daran schuld; auch ich bin gar nicht wohl, habe Husten u. Schnupfen und zu allem Unglück bin ich noch die Stiege hinunter gefallen. Na ich bin ziemlich auf den Kopf gefallen; aber vieleicht [!] ist es gut bei allem Pech, daß ich nicht ein Bein gebrochen habe.

Hier ist viel Schnee gefallen und viel Glatteis infolge der feuchten Nebel des Nachts.

Ich gehe viel mit Herrn Bankdirektor sowie Tochter spazieren, die lieben Menschen wollen mich garnicht weg lassen.|| Nun habe ich aber schon dringende Bitten und Telegramme von Budapest vom roten Kreuz erhalten.

Es ist ein ziemlicher Kampf in mir, hier die Hochzeit meines Bruders der ich so gern beiwohnen möchte, dort die Pflicht der Menschenliebe, diese wird wohl siegen, und ich werde nach Budapest reisen.

Es sollen so viel Verwundete sein und wenig Hilfe und Hände die wirklich helfen können.

Um so mehr geht die Wagschale [!] der Menschenliebe höher, da ich Sie nicht sehen kann. Nun ich hoffe von ganzem Herzen, im nächsten Jahr, wo ich Sie wieder wohl antreffen werde.||

Sagen Sie mir lieber, guter Freund stimmt es daß Professor Ostwald zurückgetreten ist? Ich habe das Telegramm nicht gelesen; aber Herr Dankdirektor sagte es mir.

Nun ist einer Ihrer lieben Freunde Maler Max auch dahingegangen.

Ich war gestern zur Kaiserfeier hier in einem der ersten Hotel, es wird viel hergemacht, die ganze Stadt ist geschmückt, ich hoffe es kommt von Herzen.

Am Samstag war ich im Lohengrin. Es wurde sehr schön gespielt und gesungen.

Lieber Herr Häeckel, leider liegt es nicht in meiner Macht, Ihnen die von mir versprochenen Äpfel zu senden. Soll ich Ihnen 50 Kilo senden, ich fürchte es wird schlecht werden, doch sollten Sie Verwendung dafür haben || so bitte ich herzlich es mir umgehend zu schreiben. Ich wähle dann solche Sorten die sich bis in den Mai halten.

Vor allem bitte ich innig und herzlich wenn es irgend möglich ist, mich es wissen zu lassen wie es Ihnen geht, diese Sorge liegt mir schwer am Herzen.

Wie geht es dem lieben, guten Fräulein Else? ich bitte herzlich einen freundlichen Gruß an das gnädige Fräulein zu bestellen.

Ich habe auf besondere Bitten des Herrn Bankdirektor ihm das von Ihnen mit gesandte Bild überlassen. Er dankt Ihnen herzlichst dafür sowie für die Grüße. Ich freue mich schon unendlich auf das versprochene Bild. Nun werden Sie mir gesund mein lieber einziger Freund, dies ist meine größte Bitte an das Schicksal. Ich grüße und küsse Sie innig und herzlich in immer gleicher, dankbarer Liebe Ihre

Marg. Bothe.

a egh. Notiz Haeckels auf S. 1: 1. Dezbr. 1915 Bankdirektor Rudolf Tischler Smichow bei Prag (Ferdinands Kai 4) (Obst-Export Hans Kröss, Meran (en gros et en detail)

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.12.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6522
ID
6522