Bothe, Margarete

Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Marienbad, 18. September 1915

„MERCUR“. MARIENBAD, AM 18.9.1915.

Mein lieber, guter Herr Haeckel.

Ihren mir so unsagbar lieben Brief erhalten, ich danke Ihnen herzlichst dafür. Nun, in dem schönen Marienbad ist es ganz leer geworden. Die Umgebung ist herrlich, so viel schöner Wald, es ist mir eine große Freude || darin zu wandern. Die lieben Menschen bei denen ich eingeladen bin, machen mir täglich eine Freude und verlebe ich hier herrliche Stunden. Und doch, meine Gedanken ziehn nach Jena –. Ach! all die schönen Stunden, ich werde sie nie, ach! nie vergessen. Wie danke ich Ihnen dafür –?

Bei all dem Schönen, was ich sehe, sehne ich Sie herbei und wünsche Sie möchten es mit erleben. Jedena Tag ist zweimal Konzert, heut wurde eins meiner Lieblingsstücke gespielt: die Schmiede im Walde (von Michaelis). Und: „Ich bete an die Macht der Liebe“. u.s.w. Oft spiele ich mit dem Gedanken, noch einmal nach Jena zu fahren, ehe ich zurück gehe, nun werden Sie mein Lieber Freund lachen und sagen: Die kleine Frau ist toll, oder so ähnlich, gelt?||

Anbei sende ich eine Blume, die ich im Walde fand, die nach meiner Ansicht, die liebe blaue Farbe Ihres Auges hat, habe ich recht?

Wie freut es mich, daß Sie liebe Menschen um sich haben und daß Sie endlich den kl. lieben Stammhalter gesehen.

Mein lieber, lieber guter Herr Haeckel, bitte nicht so traurig denken und an ein Vergehn, Sie bleiben ja immer in wertvollen Menschenseelen bestehn. Warum ist das Leben nur so, ach ich möchte doch so gerne mit meinem Sonnenfreund den Süden genießen. Sie haben recht, das Wörtchen – Wenn – ist nicht schön. Aber wir wollen hoffen, es wird noch besser werden, als wir denken. Das Leben ist ja so schön, ach so sehr schön. Und || ist Ihr lieber Vater 90 geworden, warum nicht aus Sie. Man muß nur wollen. Nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Immer so herzlich und froh lachen wie Sie es öfters bei meinem Aufenthalt getan haben. Nun wenn Sie b Zeit haben, dann denken Sie mal an die Margarete Bothe die voll Sehnsucht wartet von Ihnen eine Nachricht zu erhalten und sich darüber riesig freut. Seit dem ich Ihre lieben Haare auf meinem Herzen trage, ist mir so wohl und leicht. Nun küsse ich in Gedanken Ihre mir so lieben Augen und alles was ich an Ihnen lieb habe grüße ich innig und herzlichst und bleibe immer

Ihre dankbare, ergebene Marg. Bothe

Wie lange wir noch hier bleiben ist ganz unbestimmt; aber wahrscheinlich nicht mehr all zu lange.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.09.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6521
ID
6521