Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 20. Juli 1910

DR. W. BREITENBACH

BUCHDRUCKEREI UND VERLAG

BRACKWEDE, 20.7.1910

Sehr geehrter Herr Professor!

Mit grossem Bedauern ersehe ich aus Ihrem Briefe vom 18. d. M., dass Ihre Frau Gemahlin und Fräulein Tochter seit längerer Zeit erkrankt sind. Ich wünsche und hoffe von Herzen, dass die Krankheit einen guten Verlauf nehmen möge und dass Ihre schweren Sorgen bald erleichtert werden mögen. Dass Dr. Juliusburger und verschiedene andere Herren aus der Berliner Ortsgruppe des D. M. B. austreten wollten, war mir seit langem bekannt, auch hörte ich neulich schon, dass Herr Dietrich, den man doch sonst nicht genug loben konnte, nicht mehr Geschäftsführer sei. Dr. Vielhaber habe ich vom ersten Augenblick an, da ich ihn sah, für einen grossen Streber gehalten, der lediglich in den Monistenbund gekommen ist, um mit seiner Hülfe seine eigenen Pläne, nämlich die Gründung eines sogenannten Deutschen Kulturbundes, durchzuführen. Dass er diese Pläne noch nicht aufgegeben hat, ist meine feste Ueberzeugung, die sich auf bestimmte Tatsachen stützt. Wenn dieser Herr im Hauptvorstand des Bundes massgebend wird, wird man etwas erleben können.

Offiziell habe ich persönlich mit dem Bunde nichts mehr zu tun, ich würde aber sicher wieder zu ihm übertreten und für ihn arbeiten, wenn mir ein passender Wirkungskreis in ihm eröffnet würde. Die Hauptversammlung in Dresden kann ich nicht besuchen, da ich zu solchen weiten Reisen kein Geld habe. Ueber die Redaction des „Monismus“, den ich übrigens seit Monaten nicht mehr gesehen habe, erhalte ich oft bittere Klagen. Die endlosen Salbadereien Dr. Unolds und anderer Herren können natürlich Niemand be-||friedigen und interessieren. Auch ich habe lange schon lebhaft bedauert, dass Dr. Schmidt gar nicht mehr für uns zu haben ist. Ich dachte immer, er hätte mir einmal einen Beitrag geschickt, er scheint aber nur noch für den Kröner’schen Verlag zu arbeiten. Seine Gesundheit habe ich immer für recht schwach gehalten und das lebhaft bedauert.

Die ganze Affaire mit Prof. Plate ist furchtbar bedauerlich, denn es ist nun doch kaum möglich, dass das Phyletische Museum so eingerichtet und geleitet wird, wie Sie sich das ursprünglich gedacht hatten. Ich hörte vor einiger Zeit, dass Plate einen Annäherungsversuch an Sie gemacht habe, der aber von Ihnen zurückgewiesen sei. Ich kann Ihr Verhalten dem Herrn gegenüber nur gutheissen und stimme darin ganz mit Prof. Schwalbe überein, wie ich aus einem seiner Briefe ersehen habe.

Ich sehne mich schon lange danach, aus dem kleinlichen Geschäftsleben, in dem ich meine Zeit vertrödeln muss, herauszukommen, da ich fest glaube, ich würde in einer passenden Stellung Tüchtiges leisten. Woher soll ich aber eine solche Stellung nehmen? Jetzt habe ich immer mit Sorgen ums Brod zu kämpfen und kann eigentlich nur Abends für unsere Sache arbeiten, wenn ich oft müde und abgespannt bin. Unter diesem Gesichtswinkel würde ich eine Stellung in Südbrasilien wohl nicht ungern annehmen, wenn ich natürlich auch lieber hier bliebe.

Mit den besten Grüssen bin ich

in alter Treue

Ihr ergebenster Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.07.1910
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6081
ID
6081