Crammer, Hans

Hans Crammer an Ernst Haeckel, Salzburg, April 1913

Salzburg, im April 1913

P. T.

Hochgeehrter Herr Professor!

Der Klerikalismus (Ultramontanismus) machte in den letzten 10 Jahren in Deutschland wie in Oesterreich bedeutende Fortschritte. Diese waren nur möglich einerseits durch eine grossartige Organisation des Volkes in klerikalen Vereinen, andererseits durch nahezu untätiges Zusehen der Freigesinnten, die es unterlassen haben, den breiten Schichten des Volkes führend nahezutreten.

Der Klerikalismus übersetzte selbst die Schwellen unserer Hochschulen, wie der Bestand so vieler klerikaler studentischer Vereine an den Hochschulen zur genüge [sic] beweist.

Abera noch bedenklicher ist, dass der Klerikalismus an so mancher Hochschule Oesterreichs und des Deutschen Reiches bereits eine sehr beachtenswerte Macht ausübt. Er erzwang die Entfernung des Professors Dr. Ludwig Wahrmund von der Universität Innsbruck, die Lahmlegung der Lehrtätigkeit des Münchner Universitätsprofessors Dr. Josef Schnitzer, die Schliessung eines Geheimvertrages zwischen der römischen Kurie und der deutschen Reichsregierung, betreffend die Besetzung einer Lehrkanzel an der philosophischen Fakultät in Strassburg, und die Berufung Dr. Fr. W. Försters als Professor nach Wien, trotz des von der philosophischen Fakultät dagegen abgebenen Vetos. Dies sind nur die Hervorstechendsten, bekanntgewordenen Fälle. Sie zeigen deutlich in wie hohem Masse staatliche Hochschulen der beiden genannten Reiche durch den Klerikalismus bereits || zu leiden haben und sie sind zugleich eine ernste Mahnung zur Rüstung gegen kommende klerikale Uebergriffe.

Der „Salzburger Hochschulverein“, der keine lokalen Intressen vertritt, sondern dessen Aufgabe es ist, die Errichtung klerikaler Universitäten wo immer auf deutschem Boden zu bekämpfen und mitzutun, wenn es gilt die Verklerikalisierung der bestehenden staatlichen Hochschulen zu verhindern, will angesichts des immer näherrückenden Entscheidungskampfes zwischen den Verteidigern der geistigen Freiheit und den Vertretern der Geistesknechtung fest gewappnet dastehen. Er will eine wirklich grosszügige Werbung von Mitgliedern ins Werk setzen, um hierdurch festen Rückhalt zu gewinnen und die Geldmittel zu erhalten, die zur Durchführung jener Aufklärungsarbeit im deutschen Volke unentbehrlich sind, durch welche allein dem Klerikalismus der Anhang im Volke entzogen werden kann.

Doch diese Werbung kann nur dann den unentbehrlichen grossen Erfolg haben, wenn sie von hervorragenden Männern unseres Volkes gefördert wird.

Wir wenden uns daher in erster Linie an jene Herren, welche durch ihre hochangesehene Stellung an den Hochschulen die Berufensten sind, die Bestrebungen des Salzburger Hochschulvereines zu unterstützen.

Wir bitten Sie, hochgeehrter Herr Professor, uns die Bewilligung zu erteilen, Ihren Namen mit Angabe des Charakters unter den beiliegenden Aufruf zu setzen, der vollständig gleichlautend in Druck gelegt und zur Werbung benützt wird.

Mit dem Ausdrucke vorzüglicher Hochachtung

ergebenst

Für die Hauptleitung des

Salzburger Hochschulvereines:

Professor Hans Crammer,

Vorsitzender. ||

Wir bitten Sie um möglichst baldigen Bescheid. Der mitfolgende Aufruf ist nicht zurückzusenden.

Ihre Unterschrift gaben bereits:

Dr. Albert Heim, o. Professor a. d. Universität u. technischen Hochschule in Zürich.

Dr. Friedrich Jodl, o. Professor a. d. Universität in Wien.

Dr. R. Knopf, o. ö. Professor a. d. Universität in Wien.

Dr. H. Molisch, o. ö. Professor a. d. Universität in Wien.

Dr. Ernst Mach, k. k. Hofrat, Universitätsprofessor a. D. Wien.

Dr. J. Schipper, k. k. Hofrat, Universitätsprofessor in Wien.

Dr. Ernst Elster, Univ. Professor, Marburg a. d. L.

Dr. Theobald Ziegler, Geheimrat, emer. Univ. Prof. Strassburgb

Antwortschreiben sind zu richten an die

Hauptleitung des Salzburger Hochschulvereines,

Salzburg, Imbergstrasse 26.

Mit hochachtungsvollstem

Gruß

Hans Crammer.

a korr. aus: Abeer; b egh. ergänzt: Dr. Ernst Elster … Prof. Strassburg

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
??.04.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 48005
ID
48005