Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Wilhelm Olbers Focke, Landsberg an der Warthe, 25. Februar 1864

Landsberg a/Warthe

den 25. Februar 64.

Geehrtester Herr Doktor!

Entschuldigen Sie, wenn ich heute erst mich des Auftrags meines armen Bruders erledige und Ihnen Mittheilung von dem plötzlichen Dahinscheiden seiner theuren Anna mache. Vor c. 4 Wochen an einer Pleuritis erkrankt, war sie trotz eines Rückfalls von dieser Krankheit genesen, jedoch noch sehr angegriffen u. kraftlos, als sie in der Nacht vom 15/16 dieses Monats von einer gelben Atrophie der Leber befallen wurde, die sie am 16t dieses Monats Nachmittag nach 14stündigem Kranksein hinwegraffte. Sie selbst hat obwohl meist bei Bewußtsein keine Ahnung von ihrem nahen Ende gehabt. Mein Bruder, der sich möglichst zusammennahm, hat sie nichts merken lassen. Die sorgsame Behandlung desa Prof. Gerhardt konnte natürlich bei dieser || Krankheit nichts helfen. Meinen armen Bruder packte der Schmerz, nachdem das Unvermeidliche eingetreten war, um so heftiger. Es war gut, daß beide Mütter in der darauf folgenden Nacht u. gegen den 17t zu ihm eilen konnten um ihn selbst, der schwer zu erkranken drohte zu pflegen. Mein Vater, Schwager u. ich kamen am 18t zur Beerdigung nach. Ich habe Ernst am 20t schon bedeutend beruhigter u. außer Bett verlassen. Die anfängliche fixe Idee einer Afrikanischen Reise war aufgegeben. Er wird in nächster Zeit auf einige Wochen nach Nizza und Oberitalien zur Erholung gehen; dann zu den Aeltern nach Berlin, u. diese mit ihm für das Sommersemester nach Jena. Bis zu seiner Abreise sind letztere noch bei ihm.

Sie, die Sie das glückliche Paar noch zur Hochzeit gesehen haben, empfinden gewiß den tiefen Schmerz meines Bruders nach. Er hat mit seiner || Anna glücklich 1 ½ Jahre verlebt; und nun muß sie ihm so unerwartet genommen werden.

Mit der Bitte seinen dortigen Bekannten, namentlich Dr. Struwe das Geeignete mitzutheilen; falls Sie nach näherer Auskunft über den Trauerfall, den Ernst durch die Weser-Zeitung bekannt gemacht hat, befragt werden, bin ich

Ihr treu ergebener

C.Haeckel.

P.S. Sie wußten vielleicht noch nicht, daß ich seit Januar 1863 auf Wunsch hierher versetzt bin. Die Stadt u. das Gericht ist größer, u. ein Gymnasium hier; das bestimmte mich zu dem Tausch. Aber ich kann mich noch nicht an die wunderschöne Gegend gewöhnen; meine Frau u. Kinder – jetzt 6 – sind wohlauf.

a irrtüml.: der

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
25.02.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
SUUB Bremen, Abt. Handschriften und Rara
Signatur
Autogr. X; 58,2
ID
41330