Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Pest, 5. Mai 1873
Pest 5/5
Liebste Mutter!
Diese Zeilen melden Dir meine glückliche Rückkehr in das deutsche Vaterland, wozu ich zunächst auch das deutsche Österreich noch rechne, a schon aus Dankbarkeit für die vielen wundervollen Genüsse, welche ich den österreichischen (nicht den deutschen!!) Consuln während dieser wundervollen Orient-Reise zu verdanken habe. In Constantinopell, dem einzigen großen Orte des Orients, der meine Erwartungen nicht erfüllt hat, blieb ich 8 Tage (vom 18–24. April) besuchte Herrn v. Kendell und Herrn Gillet, die österreichischen Gesandten Grafen Ludolf und Zalusky, und ging dann am 25. April b über Mudania nach Brussa in Klein-Asien, wo ich 4 märchenhaft schöne Tage verlebte und den Gipfel des aisiatischen Olymps bestieg. || Die 6tägige Reise nach Brussa und dem asiatischen Olymp gehört zu den genußreichsten Episoden der herrlichen Orient-Fahrt und bildet den schönsten Abschluß derselben. Am Freitag 2. Mai Morgens 1 Uhr fuhr ich von Constantinopel ab, war Samstag Mittag in Varna (nach unruhiger Fahrt von 14 Stunden auf dem schwarzen Meere) fuhr Abends 6 Uhr in 7 Stunden per Eisenbahn von Varna nach Rustschuk und bestieg hier das schöne, sehr bequeme große Donau-Dampfschiff Albrecht, welches uns nach 2tägiger höchst angenehmer Fahrt nach Bazias gebracht hat. Von da per Bahn nach Wien. Ich bleibe in Wien 2 Tage wohne bei Professor Grün (Floßgasse c No: 1; II. Stock), d reise Freitag Morgen von Wien ab und denke Sonnabend 10 Mai Abends in Jena zu sein. Dort hoffe ich Briefe von Euch zu finden.
Herzlichste Grüße an unsere Lieben. Ich bin sehr frisch und munter.
Dein treuer Ernst.
Letzte Briefe in Constantinopel von Dir und Carl richtig erhalten.
5/5 73 Pesth, Montag Mittage
a gestr.: [xxx] ; b gestr.: nach; c gestr. II; d gestr.: und; e Text mit Bleistift am oberen Rand von S.1: Letzte … Mittag