Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 5. Oktober 1881

Potsdam d. 5 October

1881.

Lieber Herzens-Bruder!

Ich kann Dich doch nicht nach dem fernen Osten ziehen lassen, ohne Dir nochmals ein herzliches Lebewohl zu zurufen. Es wird mir doch recht schwer, Dich in die weite Ferne ziehen zu sehen, wenn ich mir auch alle Vernunftgründe oft genug vorhalte, die für die Ruhe und gegen eine unnötige Besorgniß dieserhalb sprechen. Nun, du stehst ja in der Hand der Vorsehung, wie jeder von uns. Sie behüte Dich! –

Nur gut, daß sich Dein Weg nicht durch insurgirtes Gebiet hinzieht (ich las eben von den Gräueln bei Tunis). Die Unruhen welche in Cairo kürzlich waren, berühren Deinen Weg ja wohl nicht. ||

Mutter hat sich darin gefunden, daß Du nicht mehr herkommst, wenn sie es auch noch vor einiger Zeit im Stillen gehofft haben mag.

Für die Auskunft für Hermann meinen Dank. Er hat sich in diesen Tagen nach einer Stelle in Tamsel bei Cüstrin erkundigt und ist noch nicht von da zurück. Von einer Stellung in einem der botanischen Gärten wird für den Winter wohl nicht die Rede sein. Der Zeitpunkt ist jetzt zu ungünstig. Erhält er jetzta keine entsprechende feste Stellung, so wird er für den Winter wohl wieder als Wandergärtner im Obstschnitt fungiren.

Du fragst nach meinem Befinden? – Nun bis dato hat keines der verschiednen Mittel, die mir der Doctor bereits verordnet, geholfen. Seit gestern brauche ich nun römische Bäder, die ich am liebsten gleich angewendet hätte. Hoffentlich helfen || diese. Ich kann übrigens doch täglich nach dem Gericht oder der Regierung humpeln. Nur merke ich, daß Schonung dem Bein noth thut, und lasse sie ihm auch nach Möglichkeit angedeihen.

Der Herbst ist doch diesmal, ebenso wie der Spätsommer gar zu unfreundlich. Wir heitzen nun schon seit etwa 22 September stramm alle Tage, wie man es sonst nur Ende October thut. Aber man erkältete sich ja sonst einfach in den Stuben, thäte man es nicht. Du kommst nun bald in wärmeres Klima; möge es Dir gut bekommen. Dies wünscht mit allen sonstigen Segenswünschen, die man Dir auf den Weg geben kann,

Dein treuer

Bruder

Du schreibst uns wohl, an wen wir das auf Creditbriefe erhobene Geld zu senden haben.

Neulich als ich bei Hoffbauer kaufte, erwähnte ich gegen den Geschäftsführer des hohen Preises des Regenmantels. Er meinte, es sei aber auch ein Meisterstück von solider Arbeit u. deshalb nicht zu theuer. ||

Eurer Emma einen herzlichen Geburtstagsgruß.

Meine Kinder grüßen alle, soweit sie hier sind. Georg u. Julius sind seit Sonnabend in Berlin bei Tante Bertha.

Hinterlaß doch ja u. gieb auch uns Nachricht, wohin wir in der nächsten Zeit Briefe an Dich adressiren.

Ist denn etwa die Berufung des einen Hertwig für Dich ein Querstrich wegen Deiner Vertretung oder war diese dadurch nicht berührt und bleibt Hertwig noch im Winter in Jena?

a eingef.: jetzt

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
05.10.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35115
ID
35115