Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Freienwalde, 22. Juni 1862

Freienwalde, d. 22 Juni

1862.

Lieber Junge!

Endlich erlaubt es mir – meine Schreibfaulheit, einmal wieder an den neugebackenen Professor zu schreiben, da will ich Dir doch vor allem von einem netten Plan erzählen, den ich leider wieder habe aufgeben müssen. Ich dachte vor der Emser Kur über Jena u. Coburg zu gehen, um meinen alten Freund Forkel, (dem ich mich vor acht Tagen zu einem Rendezvous in Berlin nicht stellen konnte) und den Junggesellen in Jena im letzten Stadium seines vereinsamten Daseins zu besuchen. Wie gerne hätte ich nicht die vier Wände Deiner Wohnung auf der Ziegelei, u. nebenbei auch die herrliche Aussicht von dort, mir besehen und dann auch beiläufig in gemüthlicher Nachmittagsruhe die Mäuse an dem Schlafrock herumkriechen lassen. Wie gerne hätte ich Dich noch in Deinem vollem Essé als ungejochten Stier und burschikosen Extraordinairen besehen. – Aber Vater reist mit mir (jener Plan ging auf Alleinreisen) und wir || werden daher mit dem unvergleichlichen Kurirzuge den 9ten Abends in Berlin zu Bett gehen, um wie Odysseus bei den Phaeacen am 10t früh in Coeln resp. Bonn wieder aufzuwachen. Ich bleibe vielleicht 1 Tag dort und gehe dann nach Ems weiter. Möglich, daß ich mit Schwager Heinrich zum 13t einen Ausflug nach dem Schützenfeste zu Frankfurt a/M mache. Mimmi, welche ich immer noch mitzunehmen hoffte, bleibt wegen andrer Hoffnungen hier, da sie deshalb Ems nicht gebrauchen darf; was mir recht Leid thut, aber doch nicht zu ändern ist. Dafür wird Mutter zu ihr kommen.

Sieh mal, wenn ich über Jena gekommen wäre, hätte ich Dir am Ende noch können eine Wohnung aussuchen helfen! – Oder bist Du schon versehen? – Nimm Dir nur ja Sonnenseite; wir haben durch den Mangel derselben recht erfahren, wie viel die werth ist. Und da ich einmal bei den guten Rathschlägen bin – besorge doch bald die bewußte Operation u. vergiß dies nicht über aller || Zukunftsseligkeit. – Solltest Du übrigens irgend sonst noch Auskunft brauchen als angehender maritus, so bin ich bereit Dir solche gern unentgeltlich über Wirthschafts- u. Einrichtungssachen, über die beste Art, Deine Frau zu zähmen, über die Wichtigkeit, damit in den ersten 14 Tagen zu beginnen pp, zu ertheilen.

Aber nun Spaß beiseite: von wem willst Du Dich trauen lassen? Doch wohl (wenn nicht von anderer Seite Sydow gewünscht wird) von unsrem Hausfreunde Richter, der in unsrer Familie so a heimisch ist u. den Du ja unter die „ausnahmsweise vernünftigen“ Pastoren zählst. Bist Du darüber mit Dir u. Anna einig, so wird es R. wohl bald kundgethan werden müssen, damit er sich mit seiner Badereise, die er nach Schluß der Kammern zu unternehmen gedenkt, darauf einrichtet. Ferner: Wer wird zur Hochzeit von Deinen Freunden eingeladen u. muß auch das nicht bald geschehen? So mancher richtet sich dann mit seiner Sommerreise darnach ein. Du nanntest mir damals: Almers, Focke, Hartmann, G. Quinke, Hartmann, || Finsterbusch, A. Merkel und von Aelteren: Virchow u. Braun. Setze Dich nun mit den Heringsdorfern in Verbindung, damit man bald erfährt, wer kommt, und darnach seine Vorbereitungen trifft.

Bei uns ist der Stickhusten wieder so ziemlich beseitigt u. die beiden damitb behafteten Bälger, Heinz u. Mize, wenn sie der Bock nicht heimsucht, sehr amüsant u. nett. – Seit 8 Tagen ist das Wetter recht schlecht, oft bitter kalt. Richter war zum vorigen Sonntag auf 3 Tage mit seiner Frau bei uns u. hielt eine Predigt zum Gustav-Adolph-Feste. Er läßt H. Professor Cuno Fischer, der ein alter Universitätsfreund von ihm ist, bestens grüßen.

Nun rede, altes Haus; antworte mir bald auf die verschiedenen Anfragen, u. sage mir, wo Du zu Pfingsten gesteckt hast. Mimmi grüßt schön.

Dein Karl

NB. Sieh doch mal nach und schreibe mir ob Du

1. den Trompeter von Saeckingen,

2. Cotta’s geolog. Bilder,

3. Weber’s Weltgeschichte

dort hast? –

Was kostet das Pfund jenenser Schlackwurst, von der Sorte, die Du nach Berlin geschickt hast?

a gestr.: zusa; b eingef.: damit

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.06.1862
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 34949
ID
34949