Dodel-Port, Arnold

Arnold Dodel-Port an Ernst Haeckel, Zürich, 7. Dezember 1894

Botanisches Laboratorium

der Universität Zürich

Zürich, 7. Dezember 1894.

Herrn Professor Dr. Ernst Haeckel in Jena.

Hochgeehrtester Herr College!

Mit der Zusendung Ihrer „Systematischen Phylogenie der Protisten & Pflanzen, I.Theil“ haben sie uns eine große Freude bereitet. Haben Sie dafür meinen herzlichsten Dank! Das Buch wird gewiss nicht bloß in dem weiten Kreise der Zoologen, sondern bei allen Biologen auf ein lebhaftes Interesse stoßen und zur weiteren Abklärung der Phylogenie ein Mächtiges beitragen.

Beim Aufschneiden und Durchblättern des Opus stieß ich an zwei Orten (zuletzt auf pag.365) auf Textstellen über die Auffassung der Synergiden am Scheitel des Embryosackes der Angiospermen. Die morphologische oder phylogenetische Deutung der Antipoden und der drei Zellen des Ei-Apparates machte uns früher viel Kopfzerbrechen, bis es endlich gelang, die gelegentlich statthabende Befruchtung der Synergiden nachzuweisen. Evident kommt dies nach meinen Erfahrungen bei Iris sibirica nicht so sehr selten vor; denn ich habe Synergiden-Embryonen wiederholt angetroffen. Zwei Fälle habe ich auf Tafel VI. meines „Biologischen Atlas der Botanik“ (Serie Iris) in den Figuren 15 & 16 so genau als möglich dargestellt. Wiederholt habe ich Ei-Apparate von Iris sibirica mit den öfters zu mehreren vorhandenen Pollenschläuchen gesehen, wo Spermakerne (Pollenschlauch-Kerne) nicht nur an die Ei-, sondern auch an Synergidenzellen abgegeben wurden. Mein Assistent, Dr. Ernest Overton hat nachher auch bei Lilium Martagon die Bildung eines Synergidenembryos nebst dem Ei-Embryo beobachtet. So glauben wir denn, es sei bei den Iridaceen & Liliaceen der Beweis erbracht, daß die Synergiden Abortiv-Eier darstellen, die gelegentlich noch wirkliche Ei-Natur bekunden. (Vergleiche auch meinen Aufsatz in der Nägeli-Kölliker-Jubiläumsschrift.)

Es macht mir ein großes Vergnügen, Ihnen meine 7 ersten Tafeln des „Biologischen Atlas“ sammt Text zusenden zu können. Er wurde weit herum mit großer Begeisterung aufgenommen, fand aber meist leere Schulkassen, so daß der Verleger jammert. Der Militarismus verzehrt überall zu viel; die Schulen leiden darunter am meisten.

Mit allen herzlichen Wünschen für Ihr ferneres Leben & segensreiches Wirken

Ihr ergebenster

ADodel

(Die 7 Tafeln folgen im Extra-Postpaket, Textheft unter +band.)

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.12.1894
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3249
ID
3249