Richard Hertwig an Ernst Haeckel, Mühlhausen, 28. August 1877
Mühlhausen den 28t. August 1877.
Sehr geehrter Herr Professor!
Für die freundliche Übersendung des Medusenwerks von Agassiz sagen wir Ihnen unseren besten Dank; dasselbe kam uns sehr erwünscht, da wir mit der schriftlichen Ausarbeitung unserer Untersuchungen begonnen hatten.
Aus Ihrem beigefügten Brief ersehen wir daß die Publication unserer Arbeit in den Jenenser Denkschriften sich nicht in der Weise ausführen läßt, wie wir von Anfang erwartet hatten. Wir hatten angenommen, daß die einzelnen Arbeiten von einander unabhängige Hefte bilden und daher gleich nach ihrem Druck erscheinen würden. Hierbei würde die Nummer der einzelnen Hefte und ihre Reihenfolge in den Denkschriften || in keiner Weise durch die Reihenfolge der Veröffentlichung bestimmt gewesen sein, wie ja auch sonst bei Sammelwerken nicht selten spätere Theile früher erscheinen als die den Anfang bildenden.
Anstatt dessen theilen Sie uns mit, daß die Arbeiten erst mit oder nach der Publication der Ihrigen dem Buchhandel übergeben werden können und daß auch die Separatabdrücke nicht früher versandt werden dürfen.
Als wir auf ein möglichst baldiges Erscheinen unserer Untersuchungen hinarbeiteten ist bei den wesentlich verschiedenen Zielen unserer beiderseitigen Abhandlungen niemals für uns auch nur im Entferntesten die Absicht bestimmend gewesen, gleichzeitig oder gar früher wie Sie die Publication herbeizuführen. Auch jetzt noch denken wir hierüber wie früher und würden, wenn es sich nur || um die Aufeinanderfolge der Untersuchung handelte, bereitwilligst auf Ihre Vorschläge eingehen. Allein für uns kommt noch der zweite Punkt in Betracht, daß zugleich der Zeitpunkt der Veröffentlichung ins Unbestimmte hinausgeschoben würde. Wie Sie uns mittheilen, können Sie nicht bestimmen, bis wann Ihre Arbeit und somit auch die unsere wird erscheinen können. Wenn wir die von Ihnen gestellten Bedingungen annehmen wollten, würden wir jegliche Disposition über den Termin der Publication verlieren.
Wir ziehen es daher vor, unsere Abhandlung über das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen selbstständig bei einem Verleger herauszugeben und haben nach dieser Richtung schon Schritte gethan, zum Ersatz will ich meine „Radiolarien“ in den Denkschriften erscheinen lassen. Dieselben werden || etwa den gleichen Umfang gewinnen und werden sicha auch die Figuren, wie ich aus einer flüchtigen Zusammenstellung entnehme, auf 12 Tafeln arrangiren lassen.
In der Hoffnung daß Sie mit dieser Umänderung einverstanden sind
bleibe ich mit besten Grüßen von
meinen Eltern und Oscar
Ihr ergebener
Richard Hertwig.
Beste Grüße an Ihre liebe Familie!
a eingef.: sich