Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 16. Mai 1877

Berlin N. O. Friedenstraße 10. I.

den 16.5.77.

Lieber Freund!

Vermuthlich sind Sie inzwischen, reich beladen mit Schätzen der Forschung u. Erinnerung von Ihrer griechischen Reise zurückgekehrt u. mit den täglichen Geschäften melden sich nun auch wieder die tausenderlei Extra-Ansprüche, welche die Mitwelt an Sie stellen muß. Darunter wird nun in Zukunft auch gehören, daß Sie die Beichte der Kosmos-Redaktion anhören, sie von ihrena Sünden lossprechen, u. ihr Rathschläge für die zukünftige Aufführung ertheilen. Ich habe offen gestanden, nicht das größte Vertrauen; die Abonnentenzahl ist klein, die Journale suchen denb neuen Collegen totzuschweigen; die || Gelehrten, selbst derjenigen Richtung, die zu unsern natürlichen Bundesgenossen gehören sollten, verhalten sich passiv, wenn nicht gar ablehnend. Sie finden das Journal offenbar zu populär, während bei Herrn Alberts fortwährend privatim geklagt wird, daß es zu gelehrt sei. Das Probeheft enthielt keine glückliche Auswahl, weil der Verleger keine Ruhe hatte u. nicht mehr warten wollte. Über den Redaktions-Apparat schweige ich, der konnte nicht schlechter gemacht werden. Am meisten schmerzt mich die Zurückhaltung der selbstarbeitenden Darwinianer. Moritz Wagner schreibt nach wie vor seine Artikel in die Augsburger allgemeine Zeitung u. andere machen es nicht besser. Der Semperismus macht bedenkliche Fortschritte, u. selbst getreue Bannerträger wie Dr. Seydlitz u. A. scheinen bedenklich inficirt. Letzterer hatte mir versprochen einen fort-||laufenden literarischen Bericht zu übernehmen u. wollte darin unter Andern auch über Ihre Gasträaden berichten, läßt aber nichts von sich hören, woran theilweise sein Umzug nach Königsberg Schuld tragen mag. Ein erfreuliches Zeichen ist übrigens, daß Prof. Vogt anscheinend seine Angriffe nicht mehr in deutschen Zeitungen anbringen kann. Er hat soeben einen hauptsächlich gegen Sie gerichtetenc Artikel in der Pariser Revue scientifique begonnen, welchen ich Ihnen unter Xband sende. Es würde mir ein Vergnügen sein, den Kampf mit allen diesen Geistern aufzunehmen, allein ich befinde mich fortwährend schlecht, u. werde wohl bald genöthigt sein, mich gänzlich zurückzuziehen. Ich würde dann Ihnen wie Herrn Alberts rathen, dem Blatte einen alleinigen Redakteur ausfindig zu machen, denn drei thun nicht gut. Prof. || Jäger u. Caspari schreiben u. nehmen Artikel an, daß es Einem jammern kann; allen Vier von diesen Herrn zum ersten Hefte gelieferten Beiträgen hätte ich mein Imprimatur versagt, wenn darüber allein zu befinden hätte, dem ersten Caspari- u. Jäger’schen, weil sie schlecht geschrieben sind, dem zweiten Jäger’schen, weil wir es unsern Gegnern überlassen können, uns Dogmatismus vorzuwerfen, u. dem zweiten Caspari’schen, weil er uns gar nichts angeht. (Ich meine den Günther’schen Brief.) Gegen Aufnahme des zweiten Jäger’schen habe ich mich denn auch energisch aber nutzlos gewehrt, da ein entschiedenes Nein, das Triumvirat gleich im Anfang zersprengt hätte.

Wir gedenken dem dritten Hefte eine Notiz über die für das zweite Quartal vorliegenden Beiträge anzufügen. Dürfen wir darin Ihren Bathybius-Beitrag u. Corfu-Ergebnisse versprechen?

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

treulich ergebenster

Ernst Krause

a korr. aus: Ihren; b korr. aus: die; c korr. aus: gerichteteten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.05.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29427
ID
29427