Ludwig Finsterbusch an Ernst Haeckel, Hagen, August 1862
Seinem lieben Jugendfreunde
Dem Professor Haeckel
Zum Hochzeitsfeste.
Hagen im August 1862.
In Preußens stolzer Königsstadt
Im fröhlich lärmenden Saale,
Da ißt und trinkt man sich weidlich satt
Beim heutigen Hochzeitsmahle.
Der anno dreizehn von Feindes Macht
Mit auszog das Land zu befreien,
O schaut, wie vor Freuden das Herze ihm lacht,
Bei des Sohnes Glück und Gedeihen.
Und bei der Rede leuchtendem Schein
Schlägt altes Gerümpel in Scherben,
Bei dem Feste des Schülers fand er sich ein,
Seines Freimuths einstigem Erben.
Es würgt das Mahl der Reisegefährt,
Er erzählt von des Ätna Krater;
Der Sheriff von Freienwalde entleert
Manch klingendes Glas auf den Frater;
Der Herzog von Sachsen-Weimar er bringt
Viel Titel gleich Cestoiden,
Und mancher begeisterter Sänger singt,
Von Liebesfreuden hienieden:
Sie singen viel von der trefflichen Braut,
Dem Fräulein vom Ostsee-Gestade,
Wo unter Buchen und Farnenkraut
Sie wandelte einsam Pfade;│
Den keiner konnte Fesseln, den niemand bezwang,
Den Professor hat sie bezwungen
Drum klinge, erklinge Triumphgesang!
Ihr Gäste, ein „Heil ihr“ gesungen.
Und neben ihr sitzt der kühne Gesell,
Er kommt aus fernem Lande.
Auf tückischen Gletschern, ein Wilhelm Tell,
Spazirt er verwegen am Rande.
Und von den Alpen nach Süden hinab,
Wo heller strahlet der Himmel,
Dort steigt er in der Charybde Grab
In scheußlicher Larven Gewimmel.
Da hauset die lederne See-Animone,
Kalt klebrig die Gürtelquallen,
Sie haschen nach Thieren der Infusion
Mit Hundert Fäden und Krallen.
Der Seestern stülpet den Magen heraus
Vom wüthenden Hunger gepeinigt,
See-Igel tanzen, von Stacheln so kraus,
Manch einer sich eben versteinigt.
Die Muscheln klappern wie Totengebein,
Zehn Arme bewegt der Loligo,
Und was er erspäht, das sauget er ein
Mit Füßen wie der Hirudo.
Kaum sieht man noch Wasser, nur Kopf an Kopf
Von hundertlei Radiolaren,
Dazwischen, o Himmel, manch Riesenzopf
Gemeiner communer Scalaren.
Doch siegreich aus dem Höllenraum
Steigt unser Held, beladen;
Er kaum die Beute schleppen kam,
Nun frisch, das Schiff geladen.
Er bringt aus dem Mollusken-Sumpf
Viel Stoff, gar amüsanten,
Schleppt ihn nach Jena im Triumph
In dicken Folianten.│
Da jubelt laut der Gästechor,
Ein jeder gratuliret.
Dann tritt ein armer Pilger vor,
Und leis er präludiret.
Noch einmal wird es still im Saal,
Wie zwischen Berg und Waldesthal,
Der Pilger schlägt die Leyer
Und singt in stiller Feier:
Ein liebes, treues Freundespaar
Wohnt‘ an der Saale Strand;
Sie liebten sich wohl manches Jahr,
Sie gingen Hand in Hand.
Nicht gleicher Stand knüpft dieses Band,
Der eine war gar arm,
Ein Jeder bei dem Andern fand
Ein Herz, so treue, so warm.
Die schöne Maiensonne blickt,
Auf frische Auen nieder.
Der Arme lag zum Tod zerknickt,
Der Schmerz durchwühlt die Glieder.
Die schöne Gotteswelt sie lacht
In Wald, in Wiesen, Fluren;
Der Kranke seufzt in trüber Nacht,
Sieht nur des Todes Spuren.
In stummer Angst die Mutter wacht
In tiefem Herzeleide.
Bald, bald trägt man in Grabesnacht
Zur Ruh sie alle beide.
Da hört sie leise Schritte nah‘n,
Ein Jüngling, schlank und nett
Tritt tiefgerührt an sie heran,
Steht traurig an dem Bett.│
Die blauen Augen leuchten klar,
Die Wangen Milch und Blut,
Das Haupt umwallet goldenes Haar,
die Brust voll Jugendmuth.
Still legt er reiche Liebesgaben
Der Mutter in den Schooß,
Damit den lieben Freund zu laben,
Beklagt ihr schweres Loos.
Dann beugt er sich aufs Bett herab,
Belauscht des Freundes Schlummer,
Weißt schnell der Mutter Danken ab,
Geht fort in stillem Kummer.
So kommt er manchen lieben Tag,
ja wochenlang, zu weilen
Beim Freund; sein Hoffen, seine Klag
Gar brüderlich zu theilen.
Und dieser Arme, Freund, bin ich,
Und theil heut deine Freude.
Begrüße Deine Braut und Dich,
Und flehe für Euch beide
Um edler Liebe reinstes Glück
Auf allen Euren Wegen,
Um Geisteskraft im Mißgeschick,
und – – reichen Kindersegen.