Sachsen-Meiningen, Georg II., Herzog von

Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Villa Carlotta, 26. April 1908

Villa Carlotta | 26.4.08.

Lieber Häckel!

In Ihrem lieben Briefe zum 2ten April, für welchen ich leider viel zu spät Ihnen danke, wünschten Sie mir, mein neues Lebensjahr möge mir die Sonnenseite des Lebenʼs zuwenden, die unvermeidlichen Schatten möglichst zurücktreten lassen und ahnten mit mir nicht, welches Leid schon gleich am ersten Tage dieses Jahreʼs über uns kommen würde. Die Katastrophe, welche meinen Enkel, den ältesten Sohn meines Sohnes Ernst heimsuchte, war entsetzlicher Art und hat uns sehr mitgenommen. Von Eggeling werden Sie vielleicht || vernommen haben, in welchʼ heldenhafter Weise der 15jährige Junge sich dabei benommen hat, der keinen Klagelaut über die Lippen brachte. Der fürchterliche Schrecken, der für uns mit der Nachricht verbunden war, hat natürlich meiner Frau geschadet und will ich nur hoffen, daß die momentan stattfindende Besserung Beweiß sei von Ueberwindung der üblen Folgen, die der Schreck hatte. Bis jetzt waren die Wochen, die wir an der Riviera und hier verbrachten nichts weniger als heiter; denn selbst das Drum und Dran am Theater brachte des Peinlichen in hellem Hauf. Doch will ich nicht undankbar sein: Erfreulich war in hohem Grade das gute Andenken in dem die Meininger und Gastspielaufführungen der Meininger stehen. Daß das so prägnant zur Aussprache kam, war allerdingsa eine michb be-||glückende Folge des Theaterbrandes! In den letzten Tagen haben mein Baumeister und ich die Pläne für mein Theater (das abgebrannte war Privateigenthum!) festgestellt. Es wird Aehnlichkeit mit dem weimarer haben aber nicht so groß sein. Etwa 860 Zuschauer soll es fassen können. Das weimarer hat 2½ Million gekostet, mein neues Haus ist auf 885,000 M veranschlagt.

Beim Bauen gibtʼs stets Verdrießlichkeiten und Aerger: ich wünsche Ihnen, Ihr die Entwickelung lehrendes Museum möge davon eine Ausnahme machen, ferner gestatten Sie mir den Wunsch, die Julifesttage in Jena möchten Ihnen keinerlei Unpässlichkeit bringen; denn anstrengend werden sie für Sie sein. Mein ältester Sohn wird mich vertreten denn längst darf ich mich nicht mehr an Gelegenheiten betheiligen, wo Musik || nicht auszuweichen ist – meines Gehörleidenʼs wegen. Ich will hoffen, der Universitätsneubau, besser gesagt der Universitätpalast, werde sich als bequem und praktisch bewähren und auch die Aula, die ich bis heute nach Allem, was ich davon sah und hörte, abscheulich finde, werde Vorzüge enthalten, die man in ihr nicht vermuthet.

Hoffentlich treffen Sie diese Zeilen bei voller Gesundheit! Meine Frau sendet herzlichste Grüße an Sie und Ihre Frau Gemahlin, welchen sich anschließt, lieber Häckel, Ihr

Ihnen herzlich ergebener

Georg

a eingef.: allerdings; b eingef.: mich

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
26.04.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10280
ID
10280