Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Cap Martin, 10. April 1899
Cap Martin 10.4.99.
Lieber Herr Professor!
Daß Sie meines alten Geburtstags gedacht und mir dazu geschrieben haben, hat mich sehr gefreut und danke ich Ihnen herzlich – und doch hat Ihr Brief gleich auf den ersten Blick, als ich Jena statt eines Ortes auf der Insel Elba darin las, sehr enttäuscht; denn wir hatten sicher auf Ihren Besuch gerechnet und erwarteten Ihr Erscheinen eigentlich täglich. Wir hatten uns schon ausgedacht, was || wir Ihnen in der Umgebung Mentonʼs zeigen wollten und hatten Ihr Hiersein uns auf das Schönste ausgemalt. So mußten wir uns denn mit der Vorfreude begnügen. Unter dem, was wir glaubten, es werde Sie interessiren, sind Skelette von Höhlenbewohnern, welche in einer Grotte nahe am Meere gefunden wurden und die von ganz außergewöhnlichen Dimensionen sein sollen – ich sage sollen; denn gesehen haben wir sie noch nicht.
Ihre Kunstformen der Natur, welche wir hierher mitgenommen haben, entzücken Jeden, der sie sieht. Die || merkwürdigen Lebewesen sind aber auch von Ihnen mit einer Exaktheit gezeichnet, welche Staunen erregt. Ich begreife nicht, wo sie die Zeit hernehmen, um eine solche Arbeit fertig zu bringen, die doch nur höchst langsam von der Hand gehen muß. Den demnächst erscheinenden Heften sehe ich mit Spannung entgegen und bin ich, wie meine Frau Ihnen seiner Zeit geschrieben hat, Ihnen von Herzen dankbar, daß ich zu denen gehöre, denen Sie ein Exemplar dieses merkwürdigen Werkes schenken.
Von meiner Frau soll ich viel Schönes ausrichten und bitten wir Sie, unsere || besten Grüße ihrer Frau Gemahlin übermitteln zu wollen.
Mit dem Wunsche, Sie möchten in den Osterferien das Arbeitspensum, das Sie sich vorgesteckt haben, absolviren, ohne in Folge des gänzlichen Mangels an Erholung Ihrer Gesundheit zu schaden, bin ich, lieber Herr Professor, Ihr
Ihnen herzlich ergebener
Georg