Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 22. Dezember 1888

Heidelberg, 22. Dez. 1888

Liebster Freund!

Daß seit meiner letzten Nachricht an Dich so lange Zeit verfloß, hätte ich selbst nicht geglaubt. Der Verkehr mit Dir in Gedanken hatte sich offenbar für den brieflichen substituirt, und so verstrichen die Monate!

Nun hast Du mich durch Deine freundliche Sendung wieder etwas aufgerüttelt, und ich beeile mich Dir für den lieben Brief wie für das herrliche Siphonophorenwerk meinen Dank zu sagen.

Unser Ferienausflug hatte uns ganz gut bekommen am wenigsten vielleicht meiner Frau, die sich früher besser als diesmal erholt hatte. Mir selbst war das Ausbleiben der Neuralgie die mich den halben Sommer geknebelt || hatte, ganz unschätzbar, und so konnte ich denn bald wieder am Arbeitstisch meine Thätigkeit beginnen. Diese Befriedigung sollte von nicht langer Dauer sein. Im October begann sich bei mir Schlaflosigkeit einzustellen mit manchen anderen mich beunruhigenden Erscheinungen, so daß ich ärztlichen Rath in Anspruch nahm. Es war nichts Schlimmes zu entdecken, und wie immer in solchen Fällen erhielten die Nerven die Schuld. Reichliche Bewegung im Freien, durch gutes Wetter unterstützt, hatte einigen Erfolg, allein er ist nicht groß, denn ich a habe auch jetzt noch ganze Nächte ohne Schlaf und Du begreifst, wie man sich dabei befindet. Dazu noch die Arbeit des Wintersemesters, in der ich zwar gute Unterstützung habe, aber doch Ruge recht vermisse. So will ich nun sehen wie es weiter geht. An guten Tagen fühle ich mich ganz wohl. Bergsteigen hat mir keine Beschwerden gebracht und auch || der Appetit ist gut. Mein Aussehen vom October magst Du nach dem Beischlusse beurtheilen. Jetzt dürfte ich etwas schlanker sein. Nun habe ich Dir genug über mich geschrieben.

Daß Ihr mit Fürbringer zufrieden seid, freut mich zu vernehmen. Er war sicher der einzig richtige für Jena, und wird wohl selbst auch zufrieden sein. Seit September habe ich nichts von ihm gehört. Solange er mich brauchte, erhielt ich öftere Nachricht! Das ist so der Welt Gang.

Die Freude an Deiner aufgeblühten Tochter wird Dir gerade jetzt da Du über das Befinden Deiner lieben Frau klagst, ein rechter Trost sein, den ich mit Dir empfinde.

Zum Feste meine besten Wünsche und dazu herzliche Grüße. Beschließe das alte Jahr in froher Stimmung und bleibe mir auch im Neuen, das Dir und den Deinigen Alles Gute bringen soll, ein treuer Freund! Das ist das beste || was ich mir wünsche. Auch meine Frau läßt freundlich grüßen. Lebe wohl! Wie immer Dein

aufrichtiger

CGegenbaur

a Eingef.: Habe

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.12.1888
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10101
ID
10101