Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 17. Juni 1882

Heidelberg, 17. VI. 82.

Liebster Freund!

Recht vielen Dank für Deinen l. Brief der Dich mir wieder in alter Rührigkeit in der Heimath zeigte, froh des Durchlebten und glücklich in der Nachempfindung großer Natureindrücke! Wie davon dein Inneres voll sein mag, glaube ich Dir ebenso gerne, als daß Du auch jetzt überreiche äußere Beschäftigung findest. Du schlägst mir vor nach Würzburg zu kommen. Ich hatte einmal einen Augenblick schon früher daran gedacht und habe es dann wieder aufgegeben, da man dort einer Menge unsympathischen Persönlichkeiten kaum wird ausweichen können. Als man mich zum Deputirten wählen wollte habe ich daher abgelehnt. Doch ist immer noch möglich daß ich hingehe wenn ich Dich dort zu finden weiß. Freilich muß ich mir sagen daß der Anlaß ein sehr wenig zweckmäßiger für ein Rendez-vous ist, wir werden sehr wenig von einander ǀ| haben, wie das bei solchen Trubels nicht anders sein kann. Das ist ein Bedenken zu dem noch andere kommen. Ich muß jetzt endlich (!) mit meinem Buche fertig werden, mit dem ich die unglaublichsten Schwierigkeiten habe, fast alles wegen der Holzschnitte, welche beizugeben ein überaus unglücklicher Gedanke war! Das sehe ich jetzt vollkommen ein. Aber es ist einmal geschehen und im nächsten Monate denke ich mit den letzten Figg fertig zu werden, dh ich lasse das peripherische Nervensystem ohne alle Bilder, da ich des Hexentanzes mit dem Xylographen endlich genug habe. –

Was sagst Du zu der Combination des Comittee für das Darwin Memorial. Es ist unglaublich wie unwissend doch die Engländer in specifisch deutschen wissenschaftlichen Zuständen sind. Wenn ihnen auch Vater Ludwigs Ansichten verborgen geblieben sind, so hat doch Kölliker, auch Virchow, die seinen deutlich genug ausgesprochen, ǀ| und des ersteren Entw. ist in England sogar übersetzt. Am komischsten wäre es wenn die Herrn am Ende den Vorschlag acceptirten. Vedremmo! –

Mir geht es sehr gut, und es ist mir kaum verständlich, wenn ich mich des Zustandes entsinne, in welchem ich mich noch gerade vor einem Jahre befand. Meine Vorlesungen habe ich seit deren Wideraufnahme im October noch kein einzigesmal ausgesetzt und für jetzt ist auch keine Indication dazu mehr da. Diesen Sommer habe ich die größte Zuhörerzahl, so daß mein vor 6 Jahren für bescheidenere Verhältniße eingerichteter Hörsaal zu enge ist, und nur dadurch noch genügt, daß die Corps, wie immer, bald auf Nimmerwiedersehen verschwunden sind!

Daß es bei den Deinigen gut geht habe ich mit Vergnügen vernommen. Auch von meiner Familie kann ich nur Befriedigendes melden. Herzliche Grüße von Deinem

treuergebenen

CGegenbaur.

ǀ [Notizen von der Hand Ernst Haeckels]

Tiefsee-Medusen an

1 Gegenb.

Dec

2 F. E. Schulze

Juli 21 Lortet

81

3 Hertwig

4 Siebold

5 Bergh

Juni

6 Kölliker

82

7 Moebius

8 Retzius

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.06.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10058
ID
10058