Ernst Haeckel an Wilhelmine Hintze, Jena, 24. Februar 1907

Zoologisches Institut

der Universität Jena.

Jena 24.2.1907

Hochverehrte liebe Freundin!

Unter den 200 Briefen und Telegrammen, die mich an meinem 73sten Geburtstage überschwemmten, hat mich Ihr lieber Gruß besonders erfreut, und ich danke Ihnen dafür herzlichst, ebenso wie für die begleitenden herrlichen Weintrauben.

Bei der freundlichen Teilnahme, die Sie meinen Geschicken widmen, wird es Sie auch gefreut haben, daß am 16.2. mein Lieblingswunsch in Erfüllung ging, die Gründung eines „Phylogenetischen Museums“ durch die Mittel der 1894 von meinen Schülern begründeten „Ernst-Haeckel-Stiftung“. ||

Das erforderliche Gründungs-Kapital (100 Tausend M) ist jetzt beisammen:

10. Tausend Sammlung meiner Schüler,

10. Tausend Prof. Hans Meyer (Leipzig)

20. Tausend Herzog v. Meiningen

30. Tausend Carl-Zeiss-Stiftung

30. Tausend Honorar-Erträge meiner „Welträthsel“.

Der Bau des Museums (gegenüber dem jetzigen Zoologischen Institut – an der „Pforte des Paradieses!“ –) soll im April begonnen und bis October vollendet werden. Freilich brauchen wir zur schönen Herstellung und Unterhaltung noch mehr Geld – womöglich nochmals 100.000 Mk. || In Hamburg giebt es ja eine Anzahl (– hochherziger? –) Millionäre! Vielleicht ist Ihr lieber Mann in der Lage, Einigen von diesen actives Interesse für das („Phyletische“ oder) „Museum für Entwickelungsgeschichte“ einzuflößen; es soll ein ganz neues und eigenartiges Kunstwerk werden, eine schöne „öffentliche Schausammlung“. Ich lege Ihnen für diese eventuelle Sammlung noch einige Exemplare des Aufrufs meiner Schüler vom 16.2. bei. Vorgestern ist wieder ein Beitrag von 5000 Mk eingegangen, vom General-Director der „Neuen Photographischen Gesellschaft“ in Steglitz, Herrn Arthur Schwarz. ||

Die schöne grüne Wolldecke, die Sie mir vor’m Jahre gütigst gehäkelt hatten, hat mich in diesem harten und langen Winter täglich gewärmt, und ich habe Ihrer dabei dankbarst gedacht.

Mit meiner Gesundheit bin ich jetzt zufrieden.

Mit wiederholtem herzlichem Danke

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

[Beilage gedrucktes Rundschreiben:]

An die Freunde, Schüler und Verehrer von

Ernst Haeckel

richten die unterzeichneten älteren Schüler dieses Rundschreiben in der Annahme, daß der große Kreis derer, die sich Ernst Haeckel verbunden fühlen, den Tag des

Goldenen Doktorjubiläums,

den der gefeierte Forscher am 7. März 1907 begeht, nicht unbeachtet vorüber gehen lassen will.

Als am 16. Februar 1894 der 60. Geburtstag von Ernst Haeckel in Jena festlich begangen wurde, fand die Marmorbüste des Forschers im dortigen Zoologischen Institute, der langjährigen Stätte seiner akademischen Wirksamkeit, ihren Platz. Die Geldmittel, welche von seinen Schülern, Freunden und Verehrern zum Zwecke jener Feier und zur Herstellung der Büste gesammelt worden waren, überstiegen so bedeutend die Erwartung, daß nach Abschluß aller Kosten der Ueberschuss (mehr als die Hälfte der Sammlung) dem Jubilar zur „völlig freien Verfügung im Interesse und zum Nutzen seiner Wissenschaft“ überwiesen werden konnte.

Einige ältere, Professor Ernst Haeckel besonders nahe stehende Schüler, regten schon damals, vor 13 Jahren, den Plan an, diesen Ueberschuß zur Grundlage einer besonderen

„Ernst-Haeckel-Stiftung“

zu verwenden, und durch fortgesetzte Sammlung im Kreise seiner zahlreichen Schüler und Verehrer das betreffende Kapital so zu vergrößern, daß es zur Ausführung eines eigenartigen Lieblingswunsches ihres Lehrers verwendet werden könnte. Dieser Wunsch betraf die Gründung eines Phylogenetischen Museums, einer Sammlung von Naturgegenständen, Präparaten, Bildern und anderen Unterrichtsmitteln, welche dem größeren Publikum die Bedeutung und das Wesen der Phylogenie oder Stammesgeschichte erläutern sollte, jener Wissenschaft, die Haeckel 1866 in seiner „Generellen Morphologie“, auf Lamarck und Darwin weiterbauend, als selbständigen Zweig der Entwickelungslehre begründet hat.

Das „Phylogenetische (oder kürzer: Phyletische) Museum in Jena“ soll nach dem vorläufigen, schon vor längerer Zeit von Haeckel entworfenen Plane in unmittelbarer Nähe des jetzigen Zoologischen Instituts errichtet werden und einen großen Teil der Sammlungen aufnehmen, welche bisher in den überfüllten Räumen des letzteren ungenügend aufgestellt waren; insbesondere die prachtvollen Sammlungen von Korallen und anderen Seetieren, welche Haeckel auf seinen wiederholten Reisen nach Indien und dem roten Meere, sowie nach den Canarischen || Inseln gesammelt hatte. Außerdem will Haeckel (der seine reichhaltige Bibliothek bereits 1883 bei Einweihung des Zoologischen Institutes diesem geschenkt hatte) dem neuen Phylogenetischen Museum auch die zahlreichen Kunstwerke (Portraits und andere Bilder, Votivtafeln, Büsten u. s. w.) zum Geschenk machen, die ihm selbst im Laufe seiner 46-jährigen Lehrtätigkeit an der Universität Jena verehrt worden sind.

Die fortgesetzten Sammlungen für die „Ernst-Haeckel-Stiftung“, vermehrt durch eine hochherzige Stiftung Sr. Hoheit des Herzog Georg von Meiningen und einen gleich ansehnlichen Beitrag der stets hilfsbereiten Karl-Zeiß-Stiftung zu Jena, haben in neuerer Zeit ein so ansehnliches Wachstum des Stiftungskapitals ergeben, daß bereits demnächst der Bau des geplanten „Phylogenetischen Museums“ (für welches der Büroplatz gesichert ist) ins Werk gesetzt werden kann. Immerhin ist jedoch die gesammelte Summe nicht ausreichend, um das gemeinnützige und bildungsfördernde Unternehmen in der schönen Form und dem großen Umfange auszuführen, wie es wünschenswert erscheint. Die unterzeichneten älteren Schüler von Ernst Haeckel haben daher beschlossen, sich durch diesen Aufruf aufs Neue an die weiteren Kreise seiner Verehrer zu wenden und sie zu weiteren Geldbeiträgen für diesen Zweck aufzufordern.

Der Geschäftsführer des dafür eingesetzten Komitees, der Custos des Zoologischen Museums,

Privatdozent Dr. Leonard Schultze in Jena

Kahlaische Straße 2

ist bereit, auf Wunsch weitere Auskunft zu erteilen und gegebenen Falls Anregungen, die von Seiten der Geber ausgehen, entgegenzunehmen.

Das Rentamt der Universität Jena, Jenergasse 8, ist amtlich beauftragt, die Beiträge einzukassieren und dem Geber Quittung auszustellen. Wir bitten daher, die Beiträge ausschließlich an dieser Stelle einzuzahlen.

Das Ergebnis der Sammlung zum Bau des „Phylogenetischen Museums“ soll dem Jubilar am 7. März 1907 als ein Beitrag zur Erfüllung seines Lieblingswunsches im Namen der Freunde, Schüler und Verehrer überreicht werden.

Jena, den 16. Februar 1907.

Hermann Brau, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Heidelberg.

Leo Drüner, Stabsarzt, Frankfurt a. M.

Heinrich Eggeling, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Jena.

Ernst Goeppert, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Heidelberg.

Heinrich Haeckel, Professor, Chefarzt des Städtischen Krankenhauses zu Stettin.

Oscar Hertwig, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der Univers. Berlin, Geh.-Rat.

Richard Hertwig, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. München.

Paul Jensen, a. o. Professor der Physiologie an der Univers. Breslau.

Conrad Keller, o. Professor der Zoologie am eidgenöss. Polytechnikum zu Zürich.

Robert Keller, Professor, Winterthur. ||

Arnold Lang, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. und des eidgenöss. Polytechnikums zu Zürich.

Theodor List, Professor der Zoologie an der technischen Hochschule und Direktor des zoolog. Museums zu Darmstadt.

Friedrich Maurer, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Jena.

Walter May, o. Professor der Zoologie an der Techn. Hochschule zu Karlsruhe.

Ludwig Plate, o. Professor der Zoologie an der Landwirtschaftl. Hochschule zu Berlin.

Carl Rabl, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom, Instituts der Univers. Leipzi,m Geh.-Rat.

Fritz Regel, Professor der Geographie an der Univers. Würzburg.

Fritz Roemer, Direktor des Senckenbergischen Naturhistor. Museums zu Frankfurt a. M.

Wilhelm Roux, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Halle, Geh.-Rat.

Georg Ruge, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Zürich.

Theodor Schaeppi, Dr. med. et phil., prakt. Arzt in Zürich.

Leonhard Schultze, Privatdozent der Zoologie an der Univers. Jena, Custos des zoolog. Museums.

Oswald Seeliger, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. Rostock.

Richard Semon, Professor, München.

Eduard Strasburger, o. Professor der Botanik und Direktor des botan. Instituts der Univers. Bonn, Geh.-Rat.

Max Verworn, o. Professor der Physiologie und Direktor des physiolog. Instituts der Univers. Göttingen.

Johannes Walther, o. Professor der Geologie und Palaeontologie und Direktor des mineralog. Instituts der Univers. Halle a. S.

Professor W. Kükenthal (Breslau) ist auf einer Reise in Amerika begriffen und deshalb z. Z. nicht erreichbar.

Hofbuchdruckerei Jena.

Brief Metadaten

ID
31663
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielort
Zielland
Deutsches Reich
Datierung
24.02.1907
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,9 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31663
Beilagen
gedrucktes Rundschreiben „An die Freunde, Schüler und Verehrer von Ernst Haeckel“ anlässlich des Goldenen Doktorjubiläums, 16. Februar 1907.
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Hintze, Wilhelmine; Jena; 24.02.1907; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_31663