Schönau, 28.III.19.
Hochverehrter, lieber Herr Professor!
Die Aufnahme, die meine Arbeit in Villa Medusa gefunden hat, hat mir ganz seltene Freude und Genugtuung gebracht. – ||
Was ich da schuf, war die Frucht eines Zwanges, – Ihre Jugendform schien nach bildlicher Verewigung gerufen zu haben, daß ich ihr Medium sein durfte, nehm ich als besondere Vergünstigung meines Künstlertums entgegen; – ich was fasciniert und arbeitete, und der Genius meiner Arbeit spricht aus Ihrem Munde: es gelang. – ||
Mit der Bereicherung meiner Haeckelbibliothek haben Sie mir große Freude gemacht. Schon vor 10 Jahren hab ich Ihr Lebenswerk durchwandert, seit Langem ellipst mein Stern um Ihre Sonne, wechselnd zwischen Ap- und Epihel [!]. Der jetzige Kontakt ist nur die Sichtbarmachung langer, sublimerer Verknüpfungen. Dem starken Reiz Ihrer so gütigen Einladung werde ich trotz der Fülle || abhaltender Faktoren, wie Familienversorgung, politische Verhältnisse, Arbeitsüberhäufung etc. kaum widerstehen können. –
Auch möchte ich dringend bitten, dena Einzug nach Nirvana noch zu vertagenb. Die neue Zeit, an deren Gestaltung Sie den größten geistigen Anteil haben, muß Sie doch noch zum Er-leben reizen. Sie ist Ihr Kind. Haben Sie nicht mit Linné das Gottesgnadentum || in der Natur gestürzt, die Bande der Praedestination zerrissen, den Sturz jeder Tyrannis vorbereitet, und sind so zum geistigen Urheber geworden des ganzen Gefälles von Ereignissen, die heute Europa umgestalten. –
Die mißglückte Arcus-Liniec, wohl eine Folge des winzigen, im auffallenden Lichte gänzlich unmodellierten Objektes, ist ja || leicht reparabel. Hätte ich nur etwas größere, wenn auch spätere Bildnisse zur Verfügung gehabt! Schließen möchte ich ja wohl mit dem Wunsche, einmal in die Augen schauen zu dürfen, die meine Hand zum Pinsel zwangen, – die meine Seele spiegelte, über Zeit und Raum hinweg. –
Ein herzlichstes Grüßen in größter Verehrung.
Ihr ergebener
Hermann Finsterlin.
a korr. aus: die; b korr. aus: versagen; c irrtüml: Lienie